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02.06.2023

Leiharbeitnehmer: Zum Ansatz von Reisekosten

Dreh- und Angelpunkt für den Ansatz von Reisekosten ist die Frage, ob und wo Sie eine erste Tätigkeitsstätte haben. Denn nur für Tätigkeiten außerhalb der ersten Tätigkeitsstätte können Sie Reisekosten steuerlich geltend machen. Eine betriebliche Einrichtung kann nur dann erste Tätigkeitsstätte sein, wenn Sie dieser dauerhaft zugeordnet sind.

Aktuell hat sich der Bundesfinanzhof in einem Urteilsfall näher damit beschäftigt, wann bei einem Leiharbeitnehmer der berufliche Einsatzort eine erste Tätigkeitsstätte ist, und dabei auch Grundsätzliches klargestellt.

Maßgebliches Arbeitsverhältnis für die Frage, ob ein Leiharbeitnehmer einer betrieblichen Einrichtung dauerhaft zugeordnet ist, ist das zwischen dem Verleiher und dem Leiharbeitnehmer bestehende Arbeitsverhältnis. Denn im Fall einer Arbeitnehmerüberlassung nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) ist lohnsteuerrechtlicher Arbeitgeber der Verleiher. Der Entleiher nimmt nur die Arbeitsleistung entgegen, lenkt sie nach Bedarf durch Weisungen und erfüllt die korrespondierenden Fürsorgepflichten. Maßgebend ist folglich die arbeitsrechtliche Zuordnungsentscheidung des Verleihers als lohnsteuerrechtlichen Arbeitgeber.

Besteht der Einsatz eines Leiharbeitnehmers beim Entleiher zwar in wiederholten, aber befristeten Einsätzen, fehlt es an einer dauerhaften Zuordnung zu einer betrieblichen Einrichtung eines vom Arbeitgeber bestimmten Dritten.

Im entschiedenen Fall war der Leiharbeitnehmer seit 2012 unbefristet bei der Zeitarbeitsfirma V (Verleiher) angestellt. Laut Arbeitsvertrag sollte er als überbetrieblicher Mitarbeiter bei verschiedenen Kunden von V und an verschiedenen Einsatzorten eingesetzt werden. Tatsächlich eingesetzt war er im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses ab Vertragsbeginn ausschließlich beim Kunden E (Entleiher). Die Arbeitnehmerüberlassung des Leiharbeitnehmers war nach den zwischen E und V geschlossenen Vereinbarungen jeweils befristet. Der weitere Einsatz bei E war danach davon abhängig, dass E nach Ablauf der jeweiligen Frist mit V eine weitere (befristete) Arbeitnehmerüberlassung begründete, was bis über das Streitjahr 2014 hinaus stets geschehen ist. In 2014 selbst war er für die Zeit vom 1.1.2014 bis 30.9.2014 und danach vom 1.10.2014 bis 31.12.2014 bei E im Rahmen der Arbeitnehmerüberlassung befristet eingesetzt.

In der Steuererklärung 2014 machte er die Fahrten mit seinem privaten Pkw von seiner Wohnung zum Betrieb des E mit der Reisekostenpauschale als Werbungskosten geltend. Finanzamt und Finanzgericht erkannten dagegen nur die Entfernungspauschale an, da sie den Betrieb des E als erste Tätigkeitsstätte ansahen.

Zu Unrecht, wie nun der BFH entschieden hat. Die obersten Steuerrichter kamen zu dem Ergebnis, dass aufgrund der durch den Arbeitgeber V ausdrücklich als „befristet“ bezeichneten Einsätze bei E unter den im Streitfall gegebenen Umständen eine nur befristete Zuordnung des Leiharbeitnehmers zu der betrieblichen Einrichtung des E anzunehmen ist. Der in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis beschäftigte Leiharbeitnehmer war der betrieblichen Einrichtung des E durch seinen Arbeitgeber V damit weder unbefristet noch für die Dauer seines Beschäftigungsverhältnisses und aus der maßgeblichen Sicht ex ante auch nicht über einen Zeitraum von 48 Monaten hinaus zugeordnet. Es ist nicht ersichtlich, dass eine einzelne Abordnung an E einen Zeitraum von mehr als 48 Monaten umfasst hätte. Darauf, dass dieser Zeitraum bei einer Ex-post-Betrachtung überschritten wird, kommt es nach dem Gesetz nicht an. Das Finanzamt muss deshalb die höhere Reisekostenpauschale anerkennen.

BFH-Urteil vom 12.5.2022, VI R 32/20